SSL Zählmarke VG WORT

US-Luftwaffen Flugsicherungs-Zentrale Rhein Control in Birkenfeld 1959 - 1968

US-Luftwaffen Flugsicherungs-Zentrale Rhein Control in Birkenfeld 1959 - 1968

Am 2. Januar 1959 traf ich abends im tief verschneiten Birkenfeld im Hunsrück an. An den folgenden beiden Tagen erfuhr man, dass man mit Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums von der BFS auf unbestimmte Zeit im Rahmen eines noch abzuschließenden Staatsvertrags zwischen den USA und der BRD als Flugverkehrsleiter für militärischen und zivilen Flugverkehr im oberen Luftraum Süddeutschlands (über 6100 m) bei der US-militärischen Flugsicherungszentrale „Rhein Control“ auf dem Erbeskopf arbeiten würde. Man genieße seitens der US-Luftwaffe Offiziersstatus. Das Gehalt werde in etwas reduzierter Höhe weiterhin von der BFS in DM gezahlt. Ob man auch den Innenminister befragt hatte, blieb unbeantwortet. Am zweiten Tag wurden die militärischen Vorgesetzten, meist alle im Offiziersrang, durch den US-Luftwaffen-Major der Zentrale vorgestellt. Diese FS-Zentrale spielte in den Jahren des Kalten Krieges hinter den Kulissen eine dominierende Rolle in der militärischen und zivilen Flugsicherung in Süddeutschland.

Nicht geringes Erstaunen verursachte die plötzliche Erteilung von Verschlußsachen-Freigaben für die USA, die NATO und die BRD mit Geheimhaltungsstufe Geheim und der Verpflichtung zu deren Einhaltung. Die Ausbildung an der Flugsicherungsschule war lediglich auf die neue deutsche zivile Zuständigkeit ausgerichtet. Aber im oberen Luftraum war die neue BRD, so wie auch die BFS, seit 1954 nicht mehr zuständig. Wir arbeiteten nunmehr unter fremdstaatlicher Zuständigkeit. Die betrieblichen Anforderungen durch die Kampfflugzeuge der Stationierungsstreitkräfte der USA, Großbritanniens und Kanadas und anderen NATO Staaten waren totales Neuland für uns alle und niemand vermittelte uns die hierzu erforderlichen Kenntnisse. Die deutsche FS-Behörde hatte hiervon auch keine Kenntnis und so ließ man uns mit dem Problem jahrelang allein.

Im März erhielt ich dann die erste Aufforderung der Bundeswehr zur Musterung. Es löste einige Verwunderung aus, als ich erklärte bereits bei einer militärischen Luftwaffeneinheit der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte als Angehöriger der deutschen Bundesanstalt zu arbeiten und als „öffentlicher Bediensteter“ auf Dauer dorthin versetzt und darüber hinaus kein Einzelfall zu sein. Weitere fünf Kollegen warteten noch vor der Musterungskammer.

Wir waren eine völkerrechtliche Unmöglichkeit geworden, zumal wir gegenüber unseren Kollegen der Deutschen Luftwaffe im Dienst am Arbeitsplatz weisungsbefugt waren. Der Einfachheit halber wurde dieser Status nie geklärt (immerhin sechs Jahre lang Dienst bei einer militärischen Einheit eines fremden Staates ohne dementsprechende Anerkennung). Die Behörde war nicht willens, die durch die politisch gegebenen Umstände entstandene Situation rechtlich zu klären. Immerhin bestand für die Behörde die Gefahr, uns eventuell amerikanische Gehälter zahlen zu müssen, zu einer Zeit zu der die Umtauschrate zum US Dollar noch 1 zu 4 betrug.

Administrativ dauerte dieser Zustand bis März 1964, als die deutsche Behörde diese Zentrale in eigene Verwaltung übernahm, unterstützt durch die Deutsche Luftwaffe. Seit Inbetriebnahme der Zentrale im Juni 1957 fand 24-stündiger Betrieb rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr statt. Die Zweifel über die Rechtmäßigkeit hielten sich, da die deutschen Behörden die Haftungsfragen nicht klärten, die militärische Zuständigkeit der US-Luftwaffe gegenüber den zivilen Flugleitern nie eindeutig geregelt wurde, die Bundeswehr-Soldaten den Anweisungen der zivilen Flugleiter am Arbeitsplatz unterstanden und per Gesetz über die BFS keine Flugverkehrskontrolle über Flüge auf Strecke, auch die der eigenen Luftwaffe nicht, ausüben durften; ein für diese ungewöhnlicher Zustand. Bis Ende 1960 waren die Schichtleiter US Offiziere und danach BFS Angehörige. So vergingen meine neun Jahre auf dem Erbeskopf bis zum unvermeidbaren Umzug der Zentrale im April 1968 auf den Flughafen Frankfurt/Main unter sich stetig verschlechternden Umständen.

Lesen Sie mehr über dieses Thema:
Fliegen ist sicher!
Band 5, Beruf und Alltag eines deutschen Fluglotsen in den Jahren von 1957 bis 1984
Graustufendruck: https://www.amazon.de/dp/1542508584
Farbdruck: https://www.amazon.de/dp/1542508525

Flugsicherung

Die umfassende Dokumentation über den Luftverkehrsdienst Flugsicherung. Eine Buchreihe in mehreren Bänden, die von Frank W. Fischer im Verlag der International Advisory Group Air Navigation Services (ANSA) herausgegeben wurde.

Artikel